Zen-Buddhismus
„Gleich welcher Begabung einer ist, wenn er Zazen übt, wird er von selbst voranschreiten.”
Dogen, Zuimonki, I,4
Ursprung des Zen
Die Wurzeln des Zen reichen bis zum historischen Buddha Shākyamuni Siddhartha Gautama (563-483 v. Chr.) in Indien zurück, der in schweigender Versenkung die Wahrheit erkannte und so Erleuchtung erfuhr.
Laut buddhistischer Lehre kann jede Praktizierende diese Erleuchtung erfahren, durch ethisches Handeln, den Erwerb von Weisheit und die Praxis der stillen Versenkung (Zazen).
Rinzai-Zen
In China entstanden fünf Zenschulen, von denen bis auf den heutigen Tag die Soto- und die Rinzaischule existieren. Während Soto den Schwerpunkt auf Shikantasa (nur Sitzen) legt, betont die Rinzaischule das Üben mit Koan (Koan-Zen). Zen wurde erstmals von Buddha auf seinen Nachfolger Mahakashyapa übertragen. Seitdem gibt es eine lückenlose und direkte Übertragung vom Meister auf den Schüler (Traditionslinie).
Mit seinem kraftvollen und eigenwilligen Lehrstil prägte der chinesische Meister Rinzai Gigen (gest. 866 n. Chr.) das Zen. Nach ihm ist diese Linie des Mahayana-Buddhismus benannt. Die charakteristische Übungsform des Rinzai-Zen mit ihrer Geistesschärfe, ihrem Humor und der strengen Übungspraxis unterstützt die Umsetzung von Spiritualität in den Alltag.
Zazen
Der Kern der Zen-Übung ist Zazen. In aufrechter Haltung auf dem Kissen sitzend, schweigend versenkt.
In der Zen-Meditation üben wir Atembetrachtung, die vier Tore der Achtsamkeit und Konzentration auf Koan. In der Übung bringen wir Körper und Geist zusammen. Gleichzeitig suchen wir die Verbindung zu unserer Mitte (Hara). Wir bringen “Hirn-Herz-Hara” in Kohärenz.
Auftretende Gedanken und Gefühle werden wahrgenommen. Sie werden weder verdrängt noch zum Mittelpunkt des geistigen Geschehens erhoben.
Sobald wir versuchen, leer zu werden, erfahren wir, dass unser Geist immerfort arbeitet. Gedanken kommen und gehen. Wir können nicht nicht denken. Indem wir jedoch unseren Gedankenstrom beobachten, schaffen wir gleichzeitig eine Distanz zu ihm. Allmählich verebbt der Strom. Schließlich erreichen wir das “Denken des Nichtdenkens“. Wann immer wir von inneren Bilder abgelenkt werden und uns dessen bewusst werden, kehren wir zu unserem Atem oder unserem Koan zurück.
Ziel des Zazen ist das Erwachen zur eigenen, wahren Natur.
Auf dem Weg dorthin üben wir offen, wach und präsent zu sein. So befreien wir uns von Belastungen, Sorgen und Ängsten. Wir üben, im Hier und Jetzt zu sein, ohne in die Vergangenheit oder Zukunft abzuschweifen, ohne Erwartungen, Konzepte und Vorstellungen.
Mit voranschreitender Übung werden wir zunehmend gewahr, dass jeder Augenblick vollständig und vollkommen ist.
Praxishinweise
Sitzhaltungen
Um Zazen zu üben, setzen wir uns auf ein Meditationskissen (Zafu). Es gibt unterschiedliche Sitzhaltungen.
Die stabilste Haltung ist der “Lotussitz”, bei dem die Füße auf dem jeweils anderen Oberschenkel liegen und das Dreieck aus Knien und Steißbein so eine stabile Meditationshaltung bietet.
Einfacher ist der “halbe Lotussitz”, bei dem nur ein Fuß auf dem jeweils anderen Oberschenkel liegt. Noch einfacher ist es, den Fuß statt auf den Oberschenkel auf den jeweils anderen Unterschenkel zu legen.
Der “Burmesische Sitz” ist noch leichter; hier liegen bei gekreuzten Beinen die Unterschenkel voreinander und die Knie auf der Erde.
Der “Fersensitz” ist eine kniende Haltung, bei der man etwas erhöht auf einem Meditationskissen oder einem Sitzbänkchen sitzt.
Körperhaltung
Die Körperhaltung ist bei allen Sitzhaltungen gleich. Wichtig ist eine aufrechte Haltung mit einer senkrechten Wirbelsäule, so dass der Atem frei fließen kann. Das Becken sollte leicht nach vorne gekippt sein. Das Kinn ist leicht angezogen, der hintere Scheitelpunkt des Kopfes zeigt damit als höchster Punkt zur Decke. Die Hände werden schalenförmig vor dem Körper ineinander gelegt, so dass die Daumenkuppen sich leicht berühren. Die Schultern sollten entspannt sein. Die Augen sind leicht geöffnet und der Blick ruht in ca. 1 ½ Meter Entfernung vor uns auf dem Boden, ohne etwas zu fixieren.
Zeitdauer
Wenn wir als Gruppe meditieren, sind die Sitzeinheiten in der Regel 25 Minuten lang. Danach erfolgt immer eine Pause am Platz oder eine Gehmeditation (Kinhin). Oft ist es bei der Übung zuhause für Anfängerinnen leichter, mit kürzeren Zeiten zu beginnen und die Dauer der Meditation langsam auszudehnen.
Wozu eine äußere Form?
Unsere Zenübung folgt im Wesentlichen einer seit Jahrhunderten bewährten Form. Im Tagesablauf wechseln sich Ruhe und Bewegung ab. Die klare Tagesstruktur unterstützt uns dabei, unsere Achtsamkeit während des gesamten Tages aufrechtzuerhalten und zu vertiefen. Unser Geist kann zur Ruhe kommen und wir lösen uns langsam vom dauernden Beschäftigtsein mit Gedanken, Beurteilungen und Meinungen. Wir entwickeln uns hin zum Erleben und Erfahren der eigenen Essenz, unserer inneren Heimat. So lädt die Zenübung dazu ein, mit offenem, wachem und neugierigem Geist in diesen Erfahrungsprozess einzutreten, die Grenzen und Beschränkungen des eigenen Denkens zu überschreiten.
Rezitation, Sitzmeditation, Dōkusan, Teishō, Gehmeditation, Essen, Arbeitsmeditation und Ruhephasen sind die Elemente eines Sesshin.